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The Rudolf Steiner Archive

a project of Steiner Online Library, a public charity

Anthroposophische Leitsätze
GA 26

Was sich offenbart, wenn man in die wiederholten Erdenleben zurückschaut

Wenn das geistgemäße Erkennen zurückschauen kann in frühere Erdenleben eines Menschen, so zeigt sich, daß es eine Anzahl solcher Erdenleben gibt, in denen der Mensch schon Person war. Sein Äußeres glich dem gegenwärtigen, und er hatte ein Innenleben, das individuelles Gepräge trug. Es treten Erdenleben auf, die offenbaren, wie die Verstandes- oder Gemütsseele da war, noch nicht die Bewußtseinsseele, und solche, in denen erst die Empfindungsseele ausgebildet war und so weiter.

 

In den erdgeschichtlichen Zeitaltern ist das so; es war auch schon lange vorher so.

Man kommt aber im Anschauen zurück zu Zeitaltern, in denen es noch nicht so war. Da findet man den Menschen noch nach Innenleben und nach der äußeren Bildung mit der Welt der göttlich-geistigen Wesen verwoben. Der Mensch ist als Erdenmensch da, aber nicht losgelöst vom göttlich-geistigen Wesen, Denken und Wollen.

In noch älteren Zeiten verschwindet der losgelöste Mensch ganz; es sind nur göttlich-geistige Wesen vorhanden, die den Menschen in ihrem Schoß tragen.

Diese drei Stadien seiner Entwickelung hat der Mensch während seiner Erdenzeit durchgemacht. Der Übergang des ersten in das zweite liegt in der spätesten lemurischen, der vom zweiten in das dritte in der atlantischen Zeit.

Wie nun der Mensch im gegenwärtigen Erdenleben seine Erlebnisse als Erinnerung in sich trägt, so trägt er alles, was er in der geschilderten Art durchgemacht hat, als kosmische Erinnerung in sich. Was ist das irdische Seelenleben? Die Welt der Erinnerungen, die bereit ist, in jedem Augenblicke neue Wahrnehmungen zu machen. In diesem Wechselwirken von Erinnerung und neuer Erfahrung lebt der Mensch sein innerliches Erdendasein.

Aber dieses innerliche Erdendasein könnte nicht zur Entfaltung kommen, wenn nicht als kosmische Erinnerung im Menschen gegenwärtig noch vorhanden wäre, was man schaut, wenn man geistig zurückblickt in das erste Stadium seines Erden-Mensch-Werdens, in dem er von dem göttlich-geistigen Wesen noch nicht losgelöst war.

Von dem, was damals in der Welt geschah, ist heute auf Erden nur noch das lebendig vorhanden, was innerhalb der menschlichen Nerven-Sinnesorganisation entwickelt wird. In der äußeren Natur sind alle die Kräfte, die damals wirksam waren, erstorben und nur in toten Formen beobachtbar.

So lebt in der menschlichen Gedankenwelt als gegenwärtige Offenbarung, was, um Erdenexistenz zu haben, zur Grundlage das haben muß, was im Menschen schon entwickelt war, bevor er individuelles Erdendasein erlangte.

In dem Leben zwischen Tod und neuer Geburt erlebt der Mensch jedesmal aufs neue dieses Stadium. Nur trägt er in die Welt der göttlich-geistigen Wesen, die ihn wieder aufnimmt, wie sie ihn einst in sich gehabt hat, sein volles in den Erdenleben gebildetes individuelles Dasein hinein. Er ist zwischen Tod und neuer Geburt zugleich in der Gegenwart, aber auch in aller Zeit, die er durch wiederholte Erdenleben und wiederholte Leben zwischen Tod und neuer Geburt durchgemacht hat.

Anders verhält es sich mit dem, was in der Gefühlswelt des Menschen lebt. Sie steht zu den Erlebnissen in Beziehung, die unmittelbar nach denen kamen, die den Menschen noch nicht als solchen offenbaren. Zu den Erlebnissen, die der Mensch schon als Mensch, aber noch nicht losgelöst von göttlich-geistigem Wesen, Denken und Wollen durchmacht. Der Mensch könnte gegenwärtig keine Gefühlswelt entfalten, wenn diese nicht auf der Grundlage seiner rhythmischen Organisation erstehen würde. In dieser ist die kosmische Erinnerung an das geschilderte zweite Stadium der Menschheitsentwickelung vorhanden.

So wirken in der Gefühlswelt zusammen die menschliche seelische Gegenwart und das, was in ihm nachwirkt aus einer alten Zeit.

In dem Leben zwischen dem Tod und einer neuen Geburt erlebt der Mensch den Inhalt der Zeit, von der hier die Rede ist, wie die Grenze seines Kosmos. Was dem Menschen im physischen Erdenleben der Sternenhimmel ist, das ist geistig in dem Leben zwischen Tod und neuer Geburt sein Dasein, das zwischen seiner völligen Verbundenheit mit der göttlich-geistigen Welt und seinem Losgelöstsein liegt. Da erscheinen an der «Weltengrenze» nicht die physischen Himmelskörper, sondern an jedem Sternenort die Summe der göttlich-geistigen Wesen, die ja in Wirklichkeit der Stern sind.

Mit dem Willen allein, nicht mit Gefühl und Denken verbunden, lebt im Menschen dasjenige, was die Erdenleben aufweisen, die sich beim Beobachten schon als persönlichindividuell offenbaren. Was dem Menschen aus dem Kosmos heraus seine äußere Gestalt gibt, das erhält sich in dieser äußeren Gestalt als kosmische Erinnerung. Diese lebt in der menschlichen Gestalt als Kräfte. Es sind das nicht unmittelbar die Kräfte des Willens, sondern das, was in der menschlichen Organisation die Grundlage der Willenskräfte ist.

In dem Leben zwischen Tod und neuer Geburt liegt dieses Gebiet des menschlichen Wesens außerhalb der «Weltengrenze». Der Mensch stellt es da vor als dasjenige, das ihm beim neuen Erdenleben wieder eigen sein wird.

In seiner Nerven-Sinnes-Organisation ist der Mensch heute noch so mit dem Kosmos verbunden, wie er es war, als er noch innerhalb des Göttlich-Geistigen nur keimhaft sich offenbarte.

In seiner rhythmischen Organisation lebt der Mensch heute noch so im Kosmos, wie er lebte, als er als Mensch schon vorhanden, aber noch nicht losgelöst vom Göttlich-Geistigen war.

In seiner Stoffwechsel-Gliedmaßen-Organisation, als der Grundlage der Willens-Entfaltung, lebt der Mensch so, daß in dieser Organisation alles nachwirkt, was er seit der Zeit der persönlich-individuellen Erdenleben in diesen und in den Leben zwischen Tod und neuer Geburt durchgemacht hat.

Aus den Kräften der Erde hat der Mensch nur dasjenige, was ihm das Selbstbewußtsein verleiht. Auch die physische Leibesgrundlage dieses Selbstbewußtseins stammt aus dem, was die Erde bewirkt. Alles übrige im Menschenwesen ist außerirdischen-kosmischen Ursprungs. Der empfindende und gedankentragende Astralleib und seine ätherisch-physische Grundlage, alle Lebensregsamkeit im Ätherleib, ja sogar, was im physischen Leib physisch-chemisch wirkt, ist außerirdischen Ursprungs. So befremdend dies auch sein mag: das innerhalb des Menschen wirksame Physisch-Chemische stammt nicht aus der Erde.

Daß der Mensch dieses außerirdische Kosmische in sich entwickelt, ist Wirkung der Planeten und sonstiger Sterne. Was er so entwickelt, das trägt die Sonne mit ihren Kräften zur Erde. Das Menschlich-Kosmische wird durch die Sonne in den Bereich des Irdischen versetzt. Durch sie lebt der Mensch als Himmelswesen auf der Erde. Nur dasjenige, wodurch er über seine Menschenbildung hinausgeht, die Fähigkeit seinesgleichen hervorzubringen, ist eine Gabe des Mondes.

Selbstverständlich sind dies nicht die einzigen Wirkungen von Sonne und Mond. Von ihnen gehen auch hochgeistige Wirkungen aus.

Wenn die Sonne um die Weihnachtszeit immer mehr an Kräften für die Erde gewinnt, so ist dieses die im Physisch-Irdischen rhythmisch sich offenbarende Jahreswirkung, die ein Ausdruck des Geistes in der Natur ist. Die Menschheitsentwickelung ist ein einziges Glied in einem gewissermaßen gigantischen Weltenjahr. Das geht aus den vorangehenden Ausführungen hervor. In diesem Weltenjahr ist Welten-Weihe-Nacht da, wo die Sonne nicht bloß aus dem Geiste der Natur heraus zur Erde wirkt, sondern wo die Seele der Sonne, der Christus-Geist, auf die Erde niedersteigt.

Wie im einzelnen Menschen das individuell Erlebte mit der kosmischen Erinnerung zusammenhängt, so wird die alljährliche Weihnacht von der Menschenseele richtig empfunden, wenn das himmlisch-kosmische Christus-Ereignis als fortwirkend gedacht und wie eine nicht bloß menschliche, sondern kosmische Erinnerung aufgefaßt wird. Nicht bloß der Mensch gedenkt festlich zu Weihnachten des Christus-Niederstieges, sondern auch der Kosmos.

Goetheanum, zu Neujahr 1925.

Leitsätze Nr. 144 bis 146

(11. Januar 1925)

(Mit Bezug auf die vorangehende Betrachtung: Was sich offenbart, wenn man in die wiederholten Erdenleben zurückscbaut)

144. Schaut man in die wiederholten Erdenleben eines Menschen zurück, so gliedern sich diese in drei verschiedene Stadien: ein ältestes, in dem der Mensch noch nicht individuell-wesenhaft, sondern als Keim in göttlich-geistiger Wesenheit vorhanden ist. Man findet da beim Zurückschauen noch nicht einen Menschen, sondern göttlich-geistige Wesen (die Urkräfte, Archai).

145. Daran schließt sich ein mittleres Stadium, in dem der Mensch zwar schon individuell-wesenhaft vorhanden ist, aber noch nicht losgelöst von Denken und Wollen und Wesen der göttlich-geistigen Welt. Er hat da noch nicht seine gegenwärtige Persönlichkeit, die damit zusammenhängt, daß er ein völlig eigenes Wesen in seiner Erderscheinung, losgelöst von der göttlich-geistigen Welt, ist.

146. Als drittes Stadium tritt erst das gegenwärtige auf. Der Mensch erlebt sich in seiner Menschengestalt, losgelöst von der göttlich-geistigen Welt; und er erlebt die Welt als Umgebung, der er individuell-persönlich gegenübersteht. Dieses Stadium beginnt in der atlantischen Zeit.